27.11.2024 | 06:00
Nel ASA, First Hydrogen, Volkswagen – Wasserstoff könnte die europäische Automobilindustrie retten
Die europäische Automobilindustrie steht am Scheideweg: Inmitten der Umstellung auf emissionsfreie Antriebe und dem wachsenden Wettbewerbsdruck aus China suchen Hersteller nach technologischen Alternativen, die über batteriebasierte Lösungen hinausgehen. Dabei könnte der Wasserstoffantrieb eine Schlüsselrolle spielen. Insbesondere in Anwendungsbereichen wie schweren Nutzfahrzeugen oder Langstreckenmobilität bietet Wasserstoff Vorteile, die BEVs (batterieelektrische Fahrzeuge) an ihre Grenzen bringen. Zudem ermöglicht die Technologie eine Diversifizierung der europäischen Antriebslandschaft und reduziert die Abhängigkeit von knappen Rohstoffen wie Lithium oder Kobalt.
Lesezeit: ca. 5 Min.
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Autor:
Armin Schulz
ISIN:
NEL ASA NK-_20 | NO0010081235 , First Hydrogen Corp. | CA32057N1042 , VOLKSWAGEN AG VZO O.N. | DE0007664039
Inhaltsverzeichnis:
Der Autor
Armin Schulz
Der gebürtige Mönchengladbacher studierte Betriebswirtschaftslehre in den Niederlanden. Im Zuge des Studiums kam er erstmals mit der Börse in Kontakt. Er hat mehr als 25 Jahre Erfahrung bei Börsengeschäften.
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Nel ASA – baut Wasserstoff Infrastruktur
Um ein neues Antriebssystem zu etablieren braucht es eine passende Infrastruktur. Nel ASA, ein führendes Unternehmen im Wasserstoffsektor, hat 2024 seine Wasserstoff-Betankungssparte als eigenständiges Unternehmen namens „Cavendish Hydrogen“ ausgegliedert. Ziel ist es, klare Schwerpunkte zu setzen: Nel ASA konzentriert sich fortan auf Elektrolyseure, während Cavendish als Spezialist für Wasserstofftankstellen auftritt. Das neue Unternehmen bringt mehr als 20 Jahre Erfahrung und über 140 errichtete Tankstellen weltweit mit. Trotz ambitionierter Pläne, Standards für die Betankung von Schwerlastfahrzeugen zu setzen, stehen wirtschaftliche Herausforderungen im Fokus.
Trotz der Ausgliederung der hochdefizitären Betankungssparte bleiben die Quartalszahlen durchwachsen. Die Umsätze stiegen, doch das Unternehmen schreibt weiterhin hohe Verluste. Der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahresquartal um 32 % auf 475 Mio. NOK, angetrieben durch die zunehmende Nachfrage nach Elektrolyseuren. Gleichzeitig blieb die EBITDA-Marge mit -30 % tief im negativen Bereich, belastet durch Investitionen und steigende Produktionskosten. CEO Håkon Volldal betonte die Bedeutung von Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen, um die Rentabilität zu verbessern. Positiv hervorzuheben ist ein Rekordauftragsbestand, der die starke Marktposition Nels im globalen Wasserstoffsektor unterstreicht. Die Börse reagierte dennoch verhalten.
Auch die Meldung, dass der norwegische Elektrolyse-Spezialist von der EU-Innovationsfondsförderung eine Beihilfe von bis zu 135 Mio. Euro erhalten hat, konnte der Aktie keinen Aufwind geben. Die Mittel sollen die Industrialisierung der nächsten Generation der Druck-Alkalitechnologie vorantreiben, die derzeit in Prototypen getestet wird. Geplant ist der Ausbau der Produktion im Werk Herøya, Norwegen, mit einer Kapazität von zunächst 1-2 GW, erweiterbar auf bis zu 4 GW. Ziel ist es, die Kosten für grünen Wasserstoff zu senken und nachhaltige Innovationen schneller auf den Markt zu bringen. Die Aktie notiert aktuell bei 3,107 NOK.
First Hydrogen - grüner Wasserstoff als Schlüssel zur Energiewende
First Hydrogen, ein kanadisches Unternehmen mit Hauptsitz in Vancouver, positioniert sich als Vorreiter im wachsenden Markt für grüne Wasserstoffmobilität. Nach Entwicklungsarbeiten auf Basis des Best-of-Ansatzes konnte das Unternehmen wasserstoffbetriebene Nutzfahrzeuge (FCEV) mit einer Reichweite von beeindruckenden 630 km erfolgreich testen. Die Fahrzeuge, die keine Emissionen außer Wasserdampf verursachen, adressieren den globalen Trend zur Dekarbonisierung der Logistikbranche. Mit der geplanten Errichtung eines Produktionsstandorts in Quebec und einer 35-MW-Anlage für grünen Wasserstoff untermauert First Hydrogen seine Ambitionen, Nordamerika mit jährlich 25.000 emissionsfreien Fahrzeugen zu beliefern.
Neben Kanada richtet First Hydrogen seinen Blick zunehmend auf Europa, wo ehrgeizige Klimaziele, wie das Erreichen der Netto-Null-Emissionen bis 2050, enorme Marktchancen bieten. Die wasserstoffbetriebenen Fahrzeuge wurden in Großbritannien bereits praxisnah von verschiedenen Flottenbetreibern getestet und für gut befunden, was weiteres Vertrauen in die Technologie schafft. In Zukunft soll der Fokus noch mehr auf Deutschland liegen. Das Unternehmen hat dort bereits ein Büro eröffnet und plant eine enge Zusammenarbeit mit erfahrenen europäischen Partnern. Deutschland spielt dabei eine Schlüsselrolle: Mit Milliardeninvestitionen in ein flächendeckendes Wasserstoffnetz und einer dynamischen Automobilindustrie bietet der größte EU-Markt ideale Voraussetzungen für First Hydrogen.
Ergänzend profitieren Unternehmen wie First Hydrogen von den Förderprogrammen der EU, die gezielt Investitionen in grüne Technologie antreiben. Die wirtschaftlichen Aussichten von First Hydrogen sind vielversprechend. Schätzungen zufolge könnte jedes Nutzfahrzeug zu einem Preis von 50.000 EUR vermarktet werden, was bei 10.000 verkauften Fahrzeugen pro Jahr einen Umsatz von 500 Mio. EUR bedeuten würde – bei einer derzeitigen Marktkapitalisierung von gerade einmal 25,3 Mio. CAD. Für risikobereite Investoren, die in den Wasserstoffsektor einsteigen möchten, bietet das Unternehmen eine attraktive Wachstumschance, auch wenn der Markt weiterhin von globalen Entwicklungen und regulatorischen Rahmenbedingungen beeinflusst wird. Die Aktie ist derzeit für 0,35 CAD zu haben.
Volkswagen – vor großen Herausforderungen
Volkswagen (VW) ist bereits im Bereich Wasserstofftechnologie aktiv, einem Segment, das traditionell im Schatten der batterieelektrischen Antriebe gestanden hat. In Zusammenarbeit mit Kraftwerk Tubes GmbH hat der Automobilhersteller ein Patent für eine neuartige Brennstoffzelle eingereicht. Diese setzt auf eine kostengünstige und stabile Keramikmembran statt einer herkömmlichen Kunststoffmembran, wodurch der Bedarf an teuren Materialien wie Platin entfällt. Mit einer Reichweite von bis zu 2.000 km könnte die Technologie neue Maßstäbe setzen und besonders für längere Distanzen attraktiv werden. Obwohl der Fokus von VW weiterhin auf Elektrofahrzeugen liegt, wird diese Wasserstofflösung als strategische Ergänzung betrachtet – insbesondere für Nutzfahrzeuge und industrielle Anwendungen.
Im Rahmen umfassender Restrukturierungspläne hat VW ambitionierte Ziele für die kommenden Jahre definiert. Markenchef Thomas Schäfer will den Konzern bis 2027 durch eine dreistufige Strategie wieder in die Erfolgsspur führen. Im ersten Schritt "Aufholen" soll die Effizienz gesteigert und bestehende Verluste ausgeglichen werden. Es folgt die Phase des "Angriffs", bei der unter anderem bis 2027 acht neue Modelle eingeführt werden. Dazu zählen auch erschwingliche E-Autos, um neue Zielgruppen zu erreichen. Langfristig möchte VW seine Führungsposition im europäischen Markt sichern und mindestens drei Modelle in die Top 10 der meistverkauften Fahrzeuge bringen. Die Maßnahmen sind ein Versuch, auf stagnierende Märkte und hohe Produktionskosten in Deutschland zu reagieren.
Trotz klarer Pläne wird VW weiterhin von Schwierigkeiten belastet. Nach gescheiterten Tarifverhandlungen steht der Konzern vor einem möglichen Arbeitskampf, da die IG Metall mit Warnstreiks Druck ausübt. Zudem leidet VW unter den hohen Produktionskosten in deutschen Werken, die doppelt so hoch sind wie an Standorten in Osteuropa. Die drohenden Werksschließungen und Kürzungspläne stoßen auf massiven Widerstand der Belegschaft. Hinzu kommt die Unsicherheit durch die Insolvenz von Northvolt, einem Schlüsselpartner in der Batteriezellproduktion, in den VW große Summen investiert hat. Ob man die softwaretechnisch enteilten Chinesen einholen kann wird sich zeigen. Vielleicht ist Wasserstoff die Alternative. Die Aktie von Volkswagen bleibt weiter unter Druck und steht aktuell bei 80,20 EUR.
Wasserstoff könnte in Europa als Schlüsseltechnologie für die Mobilitätswende fungieren. Nel ASA treibt mit seiner Wasserstoff-Infrastruktur und innovativen Elektrolyseuren die Industrialisierung von grünem Wasserstoff voran, sieht sich jedoch finanziellen Herausforderungen gegenüber. First Hydrogen beeindruckt mit emissionsfreien Nutzfahrzeugen und einem globalen Marktfokus, während Expansionen in Europa und Nordamerika enorme Marktchancen bieten. Volkswagen geht mit neuen Brennstoffzellen-Technologien innovative Wege und betrachtet Wasserstoff als strategische Ergänzung zu batterieelektrischen Antrieben. Gemeinsam zeigen diese Akteure das transformative Potenzial von Wasserstoff, doch wirtschaftliche Hindernisse und Konkurrenzdruck bleiben langfristige Herausforderungen. Europas Industrie könnte profitieren – bei konsequenter Umsetzung.
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